Urbane Zukunft Ruhr: Gemeinsam für ein lebenswerteres Duisburg-Hochfeld

Jun 13, 2023 | Bildung, Kultur, Wirtschaft

Seit Anfang 2023 unterstützen Bernd Kreuzinger, Leiter Bereich Bildung beim Initiativkreis Ruhr, und Ilyas Akdemir, Koordinator Bildung & Soziales, die Urbane Zukunft Ruhr GmbH auf dem Weg zu einem lebenswerteren Duisburg-Hochfeld. Im Interview erzählen sie, was sie an der Aufgabe reizt, wie sie die beiden Geschäftsführer Nils-Christoph Ebsen und Ibrahim Yetim unterstützen und wo sie Herausforderungen und Chancen des Duisburger Stadtteils sehen.


 
Bernd Kreuzinger

Bernd Kreuzinger

Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, das Aktionsfeld Bildung & Soziales bei Urbane Zukunft Ruhr zu entwickeln. Warum haben Sie sich für die Aufgabe entschieden und was begeistert Sie daran?

Mit Duisburg-Hochfeld hat sich die Urbane Zukunft Ruhr für die Transformation eines in vielen Bereichen herausfordernden Stadtteils mit sehr komplexen Frage- und Problemstellungen entschieden. Urbane Zukunft Ruhr ist also ein Vorhaben mit sehr ambitionierten Zielen unter herausfordernden Bedingungen. Gleichzeitig bietet der Stadtteil Chancen und sogar Lösungen für ganz andere gesellschaftliche Herausforderungen. Hier leben sehr viele junge Menschen, während Unternehmen dringend Arbeitskräfte suchen. Da ich selbst mit der TalentMetropole Ruhr die Talentförderung im Ruhrgebiet mitentwickelt und zahlreiche stärkenorientierte Ansätze mitaufgebaut habe, empfinde ich es als sehr reizvoll, meine Erfahrung und mein Netzwerk hier einbringen zu können.

Die Urbane Zukunft Ruhr GmbH ist seit Anfang des Jahres tätig. Was sind die ersten vielleicht auch überraschenden Erkenntnisse aus den ersten drei Monaten?

In mehr als 250 Gesprächen haben wir bereits im vergangenen Jahr mit über 200 Trägern, Initiativen und Einrichtungen eine überraschend hohe Anzahl an relevanten Akteuren kennen gelernt. Nach einer ausführlichen Analyse zeigt sich, dass die allermeisten der Projekte stark nachgefragt und überaus wirksam sind. Das bestätigt die ersten Einschätzungen, in Hochfeld einen hohen Handlungs- und Veränderungsdruck vorzufinden.

Überraschend ist dieser Sachverhalt auch, weil viele Akteure eine größere Schlagkraft hätten, wenn sie mit anderen zusammenarbeiten würden. Aus diesem Umstand leitet sich auch eines unserer ersten Projekte ab, nämlich die Aufbereitung einer für alle zugänglichen Online-Akteurslandkarte, in der alle Hochfeld-Akteure abgebildet sind. Die LEG-eigene „Stiftung – Dein zuhause hilft“ fördert diese Vernetzung der Akteure durch die Stelle eines Koordinators für Bildung & Soziales. Ilyas Akdemir ist seit Herbst letzten Jahres für die Urbane Zukunft Ruhr GmbH tätig.

Gibt es schon Pläne für die kommenden Monate?

Es gibt viele Projekte, die in Planung und Vorbereitung sind und Angebote, die bereits laufen. So gibt es die KinderAkademie “Hochfelder NachwuchsTalente”, die Eltern und ihre Kinder in verschiedenen Handlungsfeldern qualifiziert. Ein Fest auf dem Hochfelder Markt am 22.09.2023 wird erstmals die Bewohner:innen und viele Akteure an Mitmach-Stationen und bei einem bunten Bühnenprogramm zusammenbringen, um die Potenziale und Lebendigkeit des Stadtteils sichtbar zu machen. In zwei konkreten Projekten vernetzen wir Sozialakteure und Schulen miteinander, etwa mit gemeinsamen Community-Scouts, um Synergien gemeinsam besser zu nutzen zu können.

Warum ist ein Projekt wie Urbane Zukunft Ruhr wichtig für das Ruhrgebiet?

Hochfeld steht stellvertretend für weitere Stadtteile im Ruhrgebiet mit ganz ähnlichen sozialen Schwierigkeiten. Solche Stadtteile können gleichzeitig Teil der Lösung sein, denn in diesen Stadtteilen leben viele junge Menschen – ein riesiges Potential. Denn gleichzeitig fehlen wenige hundert Meter weiter in den Betrieben Fachkräfte. Außerdem gibt es eine überwältigende Anzahl Akteure, die sich alleine im Bereich Bildung & Soziales mit ganz unterschiedlichen Projekten für die Menschen und mit den Menschen vor Ort engagieren. Das bildet einen praktikablen Ansatz, um starke und erfolgreiche Projekte weiter zu stärken, und gleichzeitig neue Impulse von außen zuzuführen, die es noch nicht in Hochfeld gibt. Urbane Zukunft Ruhr will diesen Prozess koordinieren und gleichzeitig neue, innovative Ideen mit den Menschen vor Ort entwickeln und umsetzen. Wir hoffen, dass von dem, was wir in Hochfeld lernen, auch andere Quartiere im Ruhrgebiet profitieren können.

Stellen Sie ich vor, das Dekadenprojekt Urbane Zukunft Ruhr ist abgeschlossen und Sie laufen im Jahr 2033 durch den Stadtteil Hochfeld. Was sehen Sie dort?

Weniger Problemimmobilien und die ersten neugenutzten Immobilien werden sicher sichtbar sein. Auch sehe ich eine Durchmischung des Stadtteils mit neuzugezogenen Bürgerinnen und Bürgern. Zugezogene, die Hochfeld als kulturell attraktiven Stadtteil neu für sich entdeckt haben.

Ich wünsche mir eine Durchlässigkeit zum neuentwickelten Stadtteil Rheinort. Die alten und neuen Bewohnerinnen und Bewohner Hochfelds nehmen zunehmend am gesellschaftlichen Leben teil, sind in Duisburg mobiler und besser informiert über ihre Bildungswege und -optionen. Sie nutzen selbstbewusst Bildungsangebote auch außerhalb Hochfelds, finden häufiger den Einstieg in eine Berufsausbildung oder Studium und schenken ihrer Umgebung mehr Aufmerksamkeit. Ich sehe außerdem weniger weiße Lieferwagen und mehr Lastenfahrräder!


 

Ilyas Akdemir

 

Ilyas AkdemirSie haben es sich zur Aufgabe gemacht, das Aktionsfeld Bildung & Soziales bei Urbane Zukunft Ruhr zu entwickeln. Warum haben Sie sich für die Aufgabe entschieden und was begeistert Sie daran?

Im Handlungsfeld Bildung & Soziales haben wir die Möglichkeit, das Leben der Hochfelder sprichwörtlich von Kindesbeinen an mitzugestalten. Transformation erfolgt bekannterweise nicht von „jetzt-auf-gleich“, sondern sukzessiv über einen gewissen Zeitraum hinweg. Ein wichtiger Bestandteil spielt dabei der Bereich Bildung, dort agieren wir an verschiedenen Schnittstellen, beginnend im Kindergarten bis hin zum Wechsel in Beruf oder Studium. Entlang dieser Linie gibt es viele Stationen welche sich als äußerst wichtig für die Entwicklung erwiesen haben. Die meisten unserer aktuellen und geplanten Projekte spiegeln sich daher in diesem Handlungsfeld wider. Die Arbeit im Handlungsfeld Bildung & Soziales, bildet daher die Grundlage weiteren Handelns für die kommenden Jahre.

Die Urbane Zukunft Ruhr GmbH ist seit Anfang des Jahres tätig. Was sind die ersten vielleicht auch überraschenden Erkenntnisse aus den ersten drei Monaten?

In diesem Falle ist es eher eine weniger überraschende Erkenntnis als die Bestätigung einer erhofften Tatsache. In Hochfeld existiert, wie von meinem Kollegen bereits erwähnt, eine durchaus hohe Dichte an Akteuren, bzw. ein sehr ausgeprägtes Netzwerk an „Hilfsstrukturen“ welches aufgrund seiner Diversität nach Optimierung durch Koordination verlangt. Zugleich sprechen wir hier von vielen Menschen, welche äußerst motiviert seit vielen Jahren im Stadtteil agieren und sich Hochfeld aussuchten, um sich der dort vorherrschenden Problemlage aktiv zu stellen und nach all den Begebenheiten der letzten Jahrzehnte nicht frustriert aufgegeben haben. Dieser Einsatz hat, meiner Meinung nach, höchsten Respekt verdient. Wir sind sehr froh unsere Projekte mit derart motivierten Menschen gestalten zu dürfen.

Gibt es schon Pläne für die kommenden Monate?

Unter dem Aspekt der Vernetzung versuchen wir die Stärken der einzelnen Akteure zu bündeln, Ressourcen gezielter einzusetzen und mit neuen Impulsen zu versehen.

Auf unserer bald erscheinenden Website werden Besucher eine Akteurskarte vorfinden, welche nach unseren Handlungsfeldern gegliedert ist und ebenfalls spezifisch nach Zielgruppe und Angeboten sortierbar sein wird. Damit wollen wir sowohl Akteuren als auch Hilfesuchenden eine optimale Koordinationsmöglichkeit bieten, die für sie jeweils relevanten Angebote auf einem Blick sichtbar zu machen. Da es obgleich der vielen, im Stadtteil vorhandenen Arbeitskreise, oftmals der Fall ist, dass Akteure von anderen Beratungsstellen und Institutionen im Stadtteil nichts wissen, und nebeneinanderher ähnliche Angebote unterbreiten. Diese Akteure gilt es zu verbinden, um Ressourcen und Stärken zu bündeln und gegebenenfalls zu multiplizieren.

Erwähnenswert ist ebenfalls, dass zusammen mit dem Stadtteilbüro koordinierte „Fest auf dem Hochfelder Markt“ , auf welchem neben einem eindrucksvollen Bühnenprogramm rund um diverse Künstler, (Lakmann One, Sebastian Dey uva.) auch unsere Akteure aus dem Stadtteil die Möglichkeit bekommen, ihr Angebot in knapp 30 Pavillons, interessierten SuS & Bürgern darzubieten. Gleichzeitig ermutigen wir alle SuS der verschiedenen Hochfelder Grundschulen und weiterführenden Schulen sowie Kindergärten, sich an unserem Bühnenprogramm zu beteiligen, und die Gelegenheit wahrzunehmen, sich dort kreativ und künstlerisch zu verwirklichen. Der Eintritt ist selbstverständlich frei und für Verpflegung sorgen lokale Gastrounternehmen aus Hochfeld und Umgebung.

Warum ist ein Projekt wie Urbane Zukunft Ruhr wichtig für das Ruhrgebiet?

Die in Duisburg Hochfeld bestehende Lage hinsichtlich der Problematik ist leider kein Alleinstellungsmerkmal im Ruhrgebiet. Mehrere Städte in der Region müssen sich zwingend mit einer ähnlichen Thematik auseinandersetzen, was dazu führt, dass hier entwickelte Lösungen, in ähnlich belastete Stadtteile übertragbar sein werden. Mit dieser Prämisse im Hinterkopf, konzeptualisieren wir alle unsere Projekte, da Übertragbarkeit eine sehr hohe Priorität genießt.

Stellen Sie ich vor das Dekadenprojekt Urbane Zukunft Ruhr ist abgeschlossen und Sie laufen im Jahr 2033 durch den Stadtteil Hochfeld. Was sehen Sie dort?

Der Stadtteil, speziell die Wanheimer Str. zeichnet sich als Hauptschlagader Hochfelds, als kulinarischer place-to-be aus. Die Stärkung der lokalen migrantischen Gastroökonomie, verhalf Duisburg der Liste der Cities of Gastronomy beizutreten, und „Foodfeld“ ähnlich der „Brautkleidermeile“ in Marxloh, überregionale Bekanntheit zu verschaffen.

Den renovierten Grundschulen stehen mehrere neue moderne Kindergärten gegenüber, womit das leidige Thema bzgl. fehlender KiTa und Schulplätze ein Ende fand. Zudem laden neue Spielplätze und Grünanlagen Kinder und Jugendliche dazu ein, das neue Stadtbild auch im Freien genießen zu können. Diese Orte fungieren gleichzeitig als Begegnungsstätten um einer Segregation der einzelnen Gruppen schon im Kindesalter entgegensteuern zu können. Allgemein wird sich das Freizeitangebot nicht nur im öffentlichen Raum bemerkbar machen, die Kinder und Jugendlichen werden dank neuer Angebote im Kontext der Mobilität, mehr soziale Teilhabe für sich beanspruchen können. Dank einer Begrünungsoffensive werden außerdem Hitzeinseln in Angriff genommen, so dass der Stadtteil auch im Hochsommer noch zum verweilen einladen kann, was nicht nur den Bewohnern, sondern auch der lokalen Gastroökonomie zugutekommen wird.